TIERPLUS INTERVIEW: BESUCH BEI PROF. KURT KOTRSCHAL IM WOLFFORSCHUNGSZENTRUM IN ERNSTBRUNN

Der beste Freund des Menschen ist sein Hund, heißt es. Gibt es dafür einen Grund? Ja, denn alle unsere Hunde stammen von Wölfen ab – und Wölfe sind hochsoziale Tiere, sagt der Wissenschaftler des Jahres 2010, Kurt Kotrschal.

Sie beschäftigen sich im Wolfforschungszentrum in Ernstbrunn sowohl mit Wölfen als auch mit Haushunden. Was fasziniert Sie daran?

Wölfe und Menschen sind Kooperationstiere. Sie ziehen gemeinsam den Nachwuchs groß, jagen gemeinsam und verteidigen gemeinsam die Grenzen. Damit sind Wölfe nicht nur hervorragende Modelle zur Erforschung der biologischen Grundlagen, auch der menschlichen Kooperation. Das erklärt wahrscheinlich auch, warum Wölfe und Menschen vor 40.000–60.000 Jahren dauerhaft zusammenfanden. Denn alle unsere Hunde, vom Yorkshire Terrier bis zur Deutschen Dogge, stammen von Wölfen ab. Die elf Timberwölfe am Wolfforschungszentrum und die acht Mischlingshunde (Ziel 20/20) wurden gleich aufgezogen, werden gleich gehalten. Sie leben in großen Gehegen und werden von insgesamt vier Tiertrainern sowie vielen Forschern bespaßt. Ziel ist es, die geistigen Fähigkeiten der Wölfe besser zu verstehen und Wölfe fair mit ihren domestizierten Artgenossen, den Hunden, vergleichen zu können. Damit wurden am Wolfforschungszentrum weltweit einzigartige Forschungsmöglichkeiten geschaffen.

Was sind die wesentlichsten Unterschiede zwischen Wolf und Haushund?

Hunde sind menschenbezogener als Wölfe und arbeiten konzentrierter mit Menschen zusammen, Wölfe sind dagegen die besseren Problemlöser und auch untereinander sozial feiner „getunt“ als Hunde. Dazu erwarten wir in den kommenden Jahren viele Ergebnisse, die unser Verständnis der Hunde wesentlich verbessern werden.

Kann man Wölfe zähmen, sodass sie die Eigenschaften eines Wachhundes übernehmen oder sich als Haushund eignen?

Nein. Mit viel Geduld und ständigem Training lernen Wölfe, mit Freude mit Menschen zu kooperieren, sie sind nahezu genauso gut trainierbar wie Hunde und lernen, auf ihre Namen zu hören. Aber sie behalten immer einen eigenen Kopf und werden sich nie verbieten lassen, die Wohnzimmereinrichtung zu zerstören und Nachbars Katze zu jagen. Schließlich sind sie viel vorsichtiger und weniger aggressiv als Hunde, sodass sie als „Wachhunde“ kläglich versagen würden, weil sie sich Fremden generell sehr vorsichtig annähern.

Wölfe sind Rudeltiere, leben in sozialen Gruppen und haben einen Anführer. Was könnten wir Menschen von den Wölfen lernen?

Direkt nicht viel. Und Wölfe sind viel weniger hierarchisch organisiert und „demokratischer“ in ihren Entscheidungen, als man landläufig glaubt. Wölfe lehren allerdings Sensibilität im sozialen Umgang und geben starkes Feedback bezüglich unserer eigenen Stimmungen und Körpersprache.

Prof. Dr. Mag.rer.nat Kurt Kotrschal

RTEmagicC Kotrschall.jpg ergebniswurde 1953 in Linz geboren. Seine wissenschaftliche Karriere begann mit Arbeiten zur Evolution der Fische und zur Funktion von Sinnes- und Nervensystemen. Seit 1990 ist er Leiter der Konrad Lorenz Forschungsstelle für Ethologie in Grünau / OÖ.

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