Brachycephale Rassen wie Mops und Französische Bulldoge sind beliebter denn je. Die rassetypische Verkürzung des Schädels bringt jedoch massive gesundheitliche Probleme mit sich.
Im Jahr 2007 waren in England exakt 867 Französische Bulldoggen gemeldet. Mittlerweile sind bereits knapp 28.000 Exemplare der „herzigen“ und besonders freundlichen Hunderasse registriert. Anhand dieser Zahlen kann man erkennen, wie sehr die Beliebtheit bestimmter Rassen in den vergangenen Jahren zugenommen hat: In Österreich steigt die Nachfrage nach vierbeinigen Vertretern der sogenannten brachycephalen Rassen ebenfalls stetig an. Dazu zählen neben Französischen Bulldoggen insbesondere Möpse, Englische und Amerikanische Bulldoggen, Boston Terrier, Deutsche Boxer, Cavalier King Charles Spaniels, Malteser, Pekinesen, Lhasa Apsos, Chihuahuas und Yorkshire Terrier, als auch einige Katzenrassen.
TIERISCHE LEIDENSGENOSSEN
Leider führt die rassetypische Verkürzung des Schädels zu massiven Problemen bei einem großen Teil der betroffenen Rassenhunde. Tierärzte sprechen vom „Brachycephalen Syndrom“ – der Ausdruck umfasst eine Reihe von Beeinträchtigungen, die als Folge des stark verkürzten Gesichtsschädels auftreten. Durch die Verkürzung der Kiefer werden die Nasenstrukturen auf engem Raum zusammengeschoben. Die daraus entstehenden Krankheitsbilder können individuell unterschiedlich stark ausgebildet sein:
- Die Nasenmuscheln verlegen den Luftstrom beim Atmen.
- Die Nasenlöcher selbst sind verengt.
- Das Gaumensegel (beim Menschen das Gaumenzäpfchen) bildet eine zu dicke und zu lange Hautfalte, die dann den + Kehldeckel beim Öffnen behindert.
- Der Knorpel des Kehldeckels rollt sich seitlich ein, und die Seitenteile kippen durch den Unterdruck nach innen.
- Die Luftröhre ist im Verhältnis zur Körpergröße des Hundes kleinlumig (zu eng).
- Der Unterdruck führt zu einer Erweiterung der Speiseröhre und zu einer chronischen Entzündung der Speiseröhrenschleimhaut mit wiederholtem Herauswürgen von Flüssigkeit.
- Der Verdauungstrakt weist chronische Entzündungen auf.
In leichteren Fällen zeigen sich die Krankheitszeichen wie Nebengeräusche bei der Atmung – insbesondere Schniefen, Schnarchen, Röcheln oder Grunzen – und zusätzlich eine geringere körperliche Belastbarkeit bei warmem Wetter. In schwereren Fällen können die Tiere so stark beeinträchtigt sein, dass die Anforderungen eines normalen Hunde- und Katzenlebens für sie lebensbedrohlich werden können. Hierzu zählen z. B. Spaziergänge bei warmem Wetter, Spielen, Laufen und jede Art von Aufregung. Durch die verkleinerten Nasenmuscheln kann die Thermoregulation (Wärmeausgleich durch Hecheln) nicht mehr funktionieren. Deswegen dauert die Erholungszeit nach Bewegung oder Wärmebelastung häufig viele Stunden. Über Jahre hinweg kommt es zu einer fortschreitenden Beeinträchtigung des Gewebes im Rachen- und Kehlkopfbereich. Das Gewebe verdickt sich und engt die Atemwege ständig weiter ein – dadurch nehmen die Beschwerden stets zu.
EINSCHÄTZUNG UND BEHANDLUNG DER ATEMNOT
Bei einer Vorstellung in einer TIERplus Ordination wegen Atemproblemen konzentriert sich die Tierärztin in erster Linie auf den Atmungsapparat und eventuelle Probleme des Magen-Darm-Traktes. An erster Stelle sollte die reduzierte Luftaufnahme beachtet werden. Denn dies schränkt die Lebensqualität erheblich ein – ohne, dass die Hunde eine Schmerzäußerung zeigen. Daher ist es für die Hundehalter schwierig, das Ausmaß der Atemnot einzuschätzen. Sie sind oft überrascht, dass diese Nebengeräusche bei der Atmung kein charmanter Ausdruck von Wohlbefinden sind. Tatsache ist aber: Atemnot wird von Mensch und Tier als Lebensbedrohung empfunden. Bleibt die Atemnot lange bestehen, verändert sich die Form des Kehlkopfknorpels derart, dass man von einem Kehlkopfkollaps spricht, der bis vor einiger Zeit nicht behandelt werden konnte.
Heute kann man mit Hilfe der Chirurgie eine gewisse Linderung und Verbesserung der Lebensqualität erreichen.
WAS MIT EINER OPERATION MÖGLICH IST
Üblicherweise wird versucht, die Verengung der Atemwege an mehreren Stellen zu beseitigen. Dabei wird das Gaumensegel, das sich über die Öffnung des Kehlkopfes legt, nicht nur gekürzt, sondern nach Möglichkeit „ausgedünnt“. Meist ist es ratsam, die chronisch entzündeten Mandeln gleichfalls zu entfernen. Weiters können die Nasenlöcher erweitert und ein Stück des Kehlkopfknorpels weggenommen werden. Erfahrungsgemäß erholen sich die Hunde relativ schnell von der Operation und zeigen danach sichtbar mehr Lebensfreude.
WAS GENAU BEDEUTET „BRACHYCEPHAL“?
Brachycephal ist der Fachausdruck für kurzköpfige Hunde (griech.: brachis = kurz, cephalus = Kopf). Beim Tier ist Brachycephalie eine Folge gezielter Zuchtauslese. Dadurch entwickelte sich eine stärkere Verkürzung des Schädels und im Speziellen der Nase. Die extreme Verkleinerung der Nasenhöhle führt wiederum zu missgebildeten Nasenmuscheln, die in die oberen Atemwege hineinwachsen und diese buchstäblich verstopfen.
Mein TIERplus Tierarzt erklärt: „Der Begriff ‚Mopssprache‘, den manche Züchter verwenden, um das schnarchende oder pfeifende Atemgeräusch als rassetypisch zu bezeichnen, ist in meinen Augen eine grob fahrlässige Verniedlichung eines chronischen Luftmangels.“
WIE ERKENNT MAN, OB EIN HUND ATEMBESCHWERDEN HAT?
Schnarchende Atemgeräusche sind ein Hinweis auf eine Verengung der oberen Atemwege. Viele brachycephale Hunde hecheln die meiste Zeit, können schlecht bis gar nicht durch die Nase atmen und sind körperlich nicht belastbar. Manche Tiere haben Probleme bei der Futteraufnahme, da sie während des Fressens nicht ausreichend Luft bekommen. Bei körperlicher Belastung, Stress oder warmen Temperaturen – und in schweren Fällen selbst ohne Anlass – können die Tiere sogar bewusstlos werden.
Fotocredits: Dr. Claudia Rössel-Franke