Seit 32 Jahren wird der Bartgeier wieder in den Alpen angesiedelt. 2018 fanden die beiden Jungtiere Caeli und Kasimir im Nationalpark Hohe Tauern ein neues Zuhause.
Der Bartgeier war einst von Spanien über die Alpen bis hin in den Himalaya verbreitet. Wohl kaum ein anderer Greifvogel beeindruckte die Menschen so nachhaltig, wie zahlreiche Fabeln und Legenden zeigen. So wurde der friedliche Bartgeier als blutrünstige Bestie dargestellt, ihm wurde auch zu Unrecht das Töten von Gämsen und der Raub von Lämmern zugeschrieben, was auch zu seinem volkstümlichen Namen „Gamsgeier“ und „Lämmergeier“ führte. „Die Bezahlung von Fang- und Schussgeldern führte dazu, dass die Tiere verfolgt wurden. Weitere Gründe für den Rückgang der Bestände waren der Einsatz von Giftködern, der Abschuss im Auftrag von zoologischen Sammlungen und in einigen Gebieten ein Versiegen der Nahrungsquellen“, erläutert Klaus Eisank, der im Nationalpark für Naturraum- und Wildtiermanagement zuständig ist. In den Alpen wurde der Bartgeier bereits im Verlauf des 19. Jahrhunderts ausgerottet. In Europa überlebten Bartgeier nur in den Pyrenäen, auf Korsika und auf Kreta sowie mit wenigen Exemplaren auf dem griechischen Festland. Die Bestände sind dort überall stark gefährdet.
ERFOLGREICHE NACHZUCHT
Nach langwieriger Suche nach geeignetem Zuchtmaterial ist es dem Alpenzoo Innsbruck in den 1970er Jahren gelungen, die ersten Bartgeier zu züchten–der Grundstein des Bartgeier-Projektes. Eisank: „Aufgrund regelmäßiger Zuchterfolge konnte dann 1978 das internationale Projekt zur Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen gegründet und die wichtigsten Richtlinien und Ziele des Projektes festgelegt werden. Als oberstes Ziel gilt die Etablierung eines ohne menschliche Hilfe überlebenden Bestandes. Auf Wildfänge aus anderen Ländern wird im Projekt gänzlich verzichtet, um bestehende Populationen nicht zu gefährden.“
HÄUFIGE TODESURSACHE: BLEIVERGIFTUNG
Alpenweit gibt es bei der Population große regionale Unterschiede. Während um den Mount Blanc (CH, I, F) sowie um den Südtiroler Stilfserjoch Nationalpark die Zahl der Brutpaare und der Jungvögel bereits relativ hoch ist, besteht in den Süd-West- und den Ostalpen noch großer Aufholbedarf. In Österreich gibt es bisher erst zwei erfolgreiche Brutpaare, und der Bestand weist eine hohe Fluktuation, einen hohen Verlust an Altvögeln und eine hohe Sterblichkeit auf. „Als Hauptfaktor wurden Bleivergiftungen identifiziert. Das Blei nehmen die Vögel auf, wenn sie von Jägern mit Bleimunition erlegtes Wild fressen“, erzählt der Wildtierexperte. „Deshalb wurden im Nationalpark Hohe Tauern und der Nationalparkregion Initiativen zur Förderung der bleifreien Büchsenmunition gestartet und das Monitoring gestärkt.“
DIE JUNGEN BARTGEIER CAELI UND KASIMIR
Seit der ersten Freilassung 1986 im Nationalpark Hohe Tauern wurden alpenweit 216 Junggeier, davon 61 in Österreich, freigelassen. Anfang Juni 2018 fand zum sechsten Mal im Kärntner Teil des Nationalparks Hohe Tauern eine Freilassung von zwei jungen Bartgeiern statt. Eisank: „Bevor die beiden als Nestlinge in ihren Horst kamen, wurden Flügel- und Schwanzfedern gebleicht, um sie bis zur ersten Vollmauser nach drei Jahren leicht zu erkennen. Zusätzlich wurden die Geier beringt und mit GPS-Sendern bestückt. Einer der beiden Junggeier stammt aus Haringsee in Niederösterreich, der zweite aus dem spanischen Andalusien.“ In ihrem Horst konnte das Heranwachsen der beiden Jungvögel, von den ersten Flugversuchen bis zum endgültigen Verlassen des Horstes Ende August beobachtet werden.
MONITORING PER GPS
Ein äußerst wichtiger Bestandteil des Projektes ist die möglichst genaue Überwachung der freigelassenen Bartgeier auf ihrem weiteren Lebensweg. Die GPS-Sender liefern laufend aktuelle Positionen. Um den weiteren Lebensweg der freigelassenen Bartgeier verfolgen zu können, wurde ein begleitendes wissenschaftliches Monitoring installiert. Dazu wurde im ganzen Alpenraum ein Netz freiwilliger Beobachter aufgebaut. „Dank der Mitarbeit der lokalen Bevölkerung, Nationalpark-Mitarbeiter, Jäger, Ornithologen, Bauern und Touristen können Bartgeier so weiter kontrolliert werden“, so Klaus Eisank.
BARTGEIERBEOBACHTUNG
Mit nahezu drei Metern Spannweite und einem typischen Flugprofil sind Bartgeier aus großer Ferne zu erkennen. Diesen Umstand macht sich das Bartgeier-Wiederansiedlungsprojekt zu Nutze. Im ganzen Alpenraum werden alljährlich im Oktober die internationalen Bartgeier Beobachtungstage (IOD) durchgeführt – mit dem Ziel, den aktuellen Bartgeierbestand zu schätzen und Hinweise auf neue Bartgeierpaare zu bekommen. Dabei konnten in den beiden letzten Jahren zwischen 61 und 73 Prozent des im wissenschaftlichen Modell berechneten Bartgeierbestandes in den Alpen beobachtet und somit ein guter Überblick über die Bartgeierpopulation und deren Verteilung in den Alpen gewonnen werden. Sehr hilfreich zur Dokumentation und Bestimmung ist ein Foto des Tieres. Auch heuer beteiligen sich laut Klaus Eisank wieder hunderte Freiwillige an dieser gemeinsamen Zählaktion: „Dank dieser freiwilliger Helfer und der Auswertung von Telemetriedaten kann – eine gewisse Dunkelziffer eingerechnet – davon ausgegangen werden, dass aktuell rund 25 Bartgeier in Österreich leben. Wenn das keine gute Nachrichten sind!“ Auch weiterhin ist die Mithilfe freiwilliger Beobachter unerlässlich, um den Bartgeierbestand möglichst genau erfassen zu können. Sollten Sie einen Bartgeier beobachten, melden Sie dies bitte an das Bartgeier-Team.
Tel.: 0664/3436293, E-Mail: ferdinand.lainer@salzburg.gv.at oder beobachtung@gmx.net
Social Media Nutzer können ihre Sichtungen zusätzlich via #CountingBeardedVultures teilen.
Die aktuellen Flugbewegungen der bisher ausgewilderter Junggeier können unter https://hohetauern.at/de/forschung/greifvogelmonitoring/bartgeier -online mitverfolgt werden.
STECKBRIEF BARTGEIER
Bartgeier gehören zu den eindrucksvollsten Tieren im Nationalpark Hohe Tauern. Sie sind reine Aas- und Knochenfresser und verwerten das, was andere Tiere von Kadavern überlassen. Die Wiederansiedlung dieser imposanten Greifvögel mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,9 Metern in Österreich hat 1986 im Rauriser Krumltal begonnen. Erwachsene Bartgeier sind am Oberkörper grauschwarz. Kopf, Hals und die Körperunterseite sind blassgelb bis rostrot. Die borstenartigen schwarzen Federn, die über den Schnabel hängen, geben dem Bartgeier seinen Namen. Sie brüten mitten im Winter in den Monaten Jänner und Februar.