Es ist ein Trend, der bereits einige Jahre anhält. Doch nicht jeden Trend sollte man unkritisch mitmachen. Unsere Spezialistin für Ernährungsfragen, Fachtierärztin Dr. Stefanie Handl, arbeitet ab sofort eng mit TIERplus zusammen. Warum? „Weil hier dringend sehr viel Aufklärungsarbeit nötig ist!“
Natürlich möchte jeder Tierbesitzer seinen Hund bestmöglich ernähren. Doch wie sieht eine „gute“ Hundeernährung wirklich aus? Die Meinungen gehen da weit auseinander.
Eine Fütterungsmethode verbreitet sich, aus den USA kommend, in den letzten Jahren auch in Europa: „BARF“, das steht für „bones and raw food“, also „Knochen und rohes Futter“ oder auch „biologisch artgerechtes rohes Futter“.
Für viele ist BARF die Lösung auf der Suche nach „natürlicher, gesunder Ernährung“. Neben der Skepsis gegenüber industriellem Fertigfutter steht für manche die Hoffnung auf Besserung von chronischen Erkrankungen, wie Allergien oder Magen-Darm-Problemen, im Vordergrund. Und nicht zu vergessen der von Medien und Laien immer wieder zitierte Satz: „Der Hund stammt vom Wolf ab!“ – Deswegen müsse eine möglichst „naturbelassene“ Ernährung auch für den Haushund das Beste sein.
Falsche Informationen sind verbreitet
Doch zuerst muss man sich darüber im Klaren sein, dass BARF eben nur ein Modetrend ist – sachkundige Überlegungen oder wissenschaftliche Untersuchungen von Tierärzten oder Ernährungswissenschaftlern stecken nicht dahinter. Entsprechend werden auch Informationen und Anleitungen zu BARF fast nur von tiermedizinischen Laien verbreitet. Es gibt mittlerweile zahlreiche Websites, Blogs und Bücher zum Thema BARF – leider enthalten die meisten davon Fehler, die sich durchaus negativ auf die Gesundheit von Hunden und Katzen auswirken können. Auch die negativen Gerüchte über Fertigfutter, dass es nur minderwertige Abfälle und chemische Zusätze enthalte und vielleicht sogar schädlich sei, stimmen mit Sicherheit nicht.
Was bedeutet gesund und natürlich?
„Aus meiner Sicht“, so Dr. Stefanie Handl, „bedeutet gesunde Ernährung ein Futter, das den Nährstoffbedarf optimal erfüllt und keine Risiken für die Gesundheit (z. B. durch Krankheitserreger) darstellt. Leider werden gerade diese Aspekte beim Barfen oft nicht erfüllt!“ Auch mit einer vermeintlich „abwechslungsreichen“ Fütterung mit verschiedenen Fleischsorten, Innereien, Knochen, Obst, Gemüse, Kräutern, Nüssen etc. ist es fast unmöglich, das tatsächliche Nahrungsspektrum eines frei lebenden Raubtieres nachzuahmen und den Bedarf an ALLEN Nährstoffen optimal zu erfüllen. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass Wildtiere sehr wohl auch unter Nährstoffmängeln leiden und außerdem eine kürzere Lebenserwartung haben als unsere Lieblinge unter menschlicher Obhut.
Häufige Fehler
In vielen BARF-Rationen mangelt es an Spurenelementen und fettlöslichen Vitaminen. So müssen z. B. Jod und Vitamin D fast immer ergänzt werden, da sie in den üblichen Futterzutaten kaum enthalten sind. Auch die Zufuhr von Kalzium und Phosphor ist oft fehlerhaft. Bei erwachsenen Tieren wird der Bedarf oft überschätzt und zu viel Knochen gegeben, während gerade bei großwüchsigen Welpen der Bedarf meist unterschätzt wird. Das kann schwere Wachstumsstörungen und bleibende Schäden zur Folge haben!
Risiko rohes Fleisch
Das Hygienerisiko durch rohes Fleisch wird oft negiert oder heruntergespielt. Mag sein, dass unsere Lebensmittel so sicher sind, dass wir vergessen haben: Rohes Fleisch stammt von lebenden Tieren und kann daher nicht keimfrei sein. Es ist auch falsch, dass Hunde und Katzen „immun“ gegen Bakterien wie z. B. Salmonellen sind. Auch wenn es zu stimmen scheint, dass sie seltener an Magen-Darm-Erkrankungen leiden als Menschen, können ernsthafte Erkrankungen durchaus auftreten!
Gefahr besteht auch für den Tierbesitzer
Die größere Gefahr besteht jedoch für die menschliche Gesundheit. Nicht nur das Hantieren mit dem rohen Fleisch stellt ein Risiko dar. Hunde und Katzen, die kontaminiertes Fleisch aufnehmen, können wochenlang Bakterien, wie Salmonellen, Campylobacter oder Coli-Keime, mit dem Kot ausscheiden. Diese finden sich dann auch auf dem Fell des Tieres, seinem Schlafplatz und letztendlich im gesamten Haushalt. Parasiten wie Bandwürmer können den Menschen befallen. Wildtiere und Tiere, die Kontakt zu Wildtieren haben (Auslauf), können außerdem Träger von Toxoplasmen sein, was besonders für Schwangere gefährlich sein kann.
Wie die Fütterung beurteilen
Dass ein Hund gut aussieht, ein glänzendes Fell, gesunden Appetit und eine regelmäßige Verdauung hat, deutet darauf hin, dass es ihm momentan gut geht – sagt aber nichts darüber aus, ob er tatsächlich optimal mit Nährstoffen versorgt ist. Gerade Mängel an Vitaminen und Spurenelementen können über Monate und Jahre unauffällig bleiben! Eine optimale Nährstoffversorgung kann nicht durch einen Blutbefund ermittelt werden! Die Messwerte im Blut sind Momentaufnahmen, dauerhafte Veränderungen treten erst bei massivem Mangel bzw. Vergiftung auf. Um die Versorgung mit Nährstoffen zu prüfen, muss die Fütterung kontrolliert werden!
Die wichtigsten Empfehlungen
- Gesunde Ernährung ist auch mit Fertigfutter oder gekochtem Futter möglich. BARF birgt einige Risiken, über die man sich im Klaren sein muss.
- Wer sein Futter selbst zubereitet, egal ob BARF oder aus gekochten Zutaten, sollte eine Rationsüberprüfung durchführen lassen (Fachtierarzt für Ernährung). Rezepte aus dem Internet oder Büchern sind leider oft fehlerhaft.
- Nicht alles ist für die Rohfütterung geeignet. Von rohen Eiern darf nur der Dotter gefüttert werden, an rohem Fisch Lachs, Barsch und Forelle. Zwiebeln, Knoblauch, Weintrauben, Avocados und Macadamianüsse sind giftig.
- Kopffleisch, Kehlfleisch oder Schlund sollten nicht verfüttert werden, da darin die Schilddrüsen enthalten sind und durch die ständige Aufnahme der Schilddrüsenhormone eine Schilddrüsenüberfunktion entsteht.
- Futterzutaten für den Hund und die Katze sind nach denselben hygienischen Grundsätzen zu behandeln wie Lebensmittel. Wer Fleisch im Versandhandel bestellt, möge bedenken, dass diese Produkte nicht denselben Richtlinien und Kontrollen in Lagerung und Transport unterliegen wie Lebensmittel.
- Wenn Kleinkinder, Schwangere oder chronisch kranke Menschen im Haushalt leben oder bei Therapiehunden sollte von der Rohfütterung abgesehen werden.
Die Authorin:
Dr.med.vet. Stefanie Handl
Als Fachtierärztin für Ernährung und Diätetik und Diplomate ECVCN leitet Dr. Stefanie Handl die ERNÄHRUNGSSPRECHSTUNDE bei TIERplus Wien-Stadlau und TIERplus Brunn am Gebirge.
Sollten Sie weitere Fragen haben oder eine Beratung zu Ernährungsthemen
benötigen, steht Ihnen Frau Dr. Handl gerne mit Rat und Tat zur Seite.
Termine nur nach vorheriger Vereinbarung. +